Zwangsbaden

Früher ging man davon aus, dass Europäische Landschildkröten vor der Kältestarre mehrfach gebadet werden sollten, um ihren Kot vollständig auszuscheiden. Heute ist dies als eine der überholten Praktiken anzusehen. In Verbindung mit einem Futterentzug über mehrere Wochen wollte man somit eine Überwinterung mit vollem Magen und ein Gären des im Magen-Darm-Trakt befindlichen Nahrungsbreis verhindern. In der modernen, naturnahen Haltung empfindet man diese Vorgehensweise als überholt, da die Tiere in der Regel im Herbst regelmäßig selbständig in ihren zur Verfügung stehenden Badeschalen verweilen. In der modernen Haltung fährt man nur langsam die Temperaturen herunter, und bietet bis zuletzt Futter und Wasser an, sodass die Tiere sich in ihrem eigenen Tempo vorbereiten können. Den Tieren steht bis zum Zurückziehen aller Schildkröten eine warme, helle UV-Sonnenlampe mit 35 Grad Celsius auf Panzerhöhe zur Verfügung. Der Sonnenplatz wird nach dem Herunterfahren der Grundtemperaturen erst abgeschaltet, wenn alle Tiere sich seit mehreren Tagen nicht mehr gesonnt haben. Neuerdings geht man davon aus, dass „leergebadete“ und nicht richtig vorbereitete Tiere bei der Auswinterung im Frühjahr häufiger Probleme mit posthibernaler Anorexie (Verweigerung der Nahrungsaufnahme nach der Kältestarre) haben, als Schildkröten, die sich selbständig in ihrem eigenen Tempo vorbereiten durften. Man nimmt an, dass durch häufige Zwangsbäder und die damit verbundene komplette Entleerung des Magen-Darm-Traktes die wichtige Darmflora der Tiere zerstört wird.

Schildkröten in artgerechter Haltung im beheizten Frühbeet dürfen selbst entscheiden, ob sie baden möchten oder nicht.


Bei nicht artgerecht im beheizten Frühbeet gehaltenen Schildkröten, beispielsweise Tieren aus Terrarium Haltung, muss man allerdings bedenken, dass sie häufig zu Dehydrierung neigen. Diese Tiere dürfen vor der Winterstarre problemlos mehrfach kurz gebadet werden, um ihre Feuchtigkeitsspeicher aufzufüllen. Auch Tiere mit Grunderkrankungen wie beispielsweise Stoffwechselproblemen dürfen auf Anraten des Reptilientierarztes problemlos regelmäßig baden, um ihre Stoffwechselendprodukte leichter ausscheiden zu können.