Ein mediterranes Mikroklima mit Kalkschotter im Gehege

Im Mittelmeerraum ist es üblich, dass die Böden einen hohen Kalkgehalt aufweisen. Dies liegt vor allem an den geologischen und klimatischen Bedingungen der Region, wobei der Kalkgehalt ein Ergebnis von Meeresablagerungen und der vorherigen Existenz des Tethys-Meeres ist. Der Mittelmeerraum ist darüber hinaus geprägt von vielen Kalksteinformationen, die im Laufe der Zeit verwittert und zu kalkreichen Böden geworden sind. Außerdem begünstigen das warme, trockene Klima und die geringe Niederschlagsmenge die Bildung und Erhaltung von Kalkböden, da weniger Kalk durch Regen ausgewaschen wird.
Temperaturgewinn und schnelles Abtrocknen des Geheges mit Kalkschotter
Gemessen mit einem Laser-/Infrarotthermometer zum gleichen Zeitpunkt, am gleichen Tag, nur wenige Meter entfernt, kann man folgenden Unterschied feststellen:
Es besteht ein großer Temperaturunterschied zwischen einem Sonnenplatz im Gehege, der aus 30 cm hoch eingebrachtem Kalkschotter besteht, und einem sonnigen Platz auf der Wiese.
Der Kalkschotter ist trocken und warm, die Wiese kalt und fühlbar nass, obwohl es schon lange nicht geregnet hat. Das ist der einleuchtende Grund dafür, Kalkschotter in unsere Gehege einzubringen.


Diese Fotos sind am gleichen Tag, zur gleichen Uhrzeit im März aufgenommen. Die Bodentemperatur auf der Wiese beträgt nur 4,1 Grad. Der Boden fühlt sich feucht und kalt an. Der Kalkschotter im Gehege nebenan ist wesentlich wärmer und trockener, das Laserthermometer misst 15,6 Grad mehr, und zwar 19,7 Grad. Die Kalkschotterschicht in den Gehegen ist ca. 30 cm hoch.
Pflanzenwachstum

Kalkreiche Böden prägen die Landwirtschaft des Mittelmeerraumes, da sie bestimmte Pflanzenarten begünstigen, die mit kalkreichen Bedingungen gut zurechtkommen, wie zum Beispiel Olivenbäume und bestimmte Rebsorten, die für den Weinanbau genutzt werden. Die meisten Pflanzen benötigen einen ausgeglichenen pH-Wert im Bereich von 5 bis 7,5, und der Kalk im Boden kann dazu beitragen, den Boden vor Versauerung zu schützen und die Nährstoffaufnahme zu verbessern. Kalkböden bieten auch gute Drainage-Eigenschaften, die für viele Kulturen vorteilhaft sind.
Was für die Landwirtschaft im Habitat gut ist, kommt auch bei uns den Futter- und Versteckpflanzen für unsere Schildkröten zu Gute: Mediterrane Versteckpflanzen, zum Beispiel aromatische Duftkräuter, wie Rosmarin, Thymian, Oregano, Salbei und Lavendel, finden auf Kalkschotter zu optimalem Wachstum. Die selbst im Gehege oder Hochbeet ausgesäten Futterpflanzen gedeihen optimal auf mageren Kalkböden, und reichern sich darauf ideal mit Kalzium an. Zusätzlich kann man mehrmals im Jahr den Boden zusätzlich mit Dolomitkalk in Pulverform abmagern. Der Kalk wird dazu großzügig ins Gehege gestreut, und anschließend mit reichlich Wasser „eingeschlämmt“.

Mikroklima
Was ist eigentlich ein Mikroklima?
Der Deutsche Wetterdienst beschreibt den Begriff des Mikroklimas wie folgt:
„Das Mikroklima beschreibt mittlere atmosphärische Zustände und wiederkehrende Phänomene im mikrometeorologischen Maßstabsbereich. Nach Orlanski (1975) werden atmosphärische Prozesse mit einer horizontalen Ausdehnung von wenigen Millimetern bis einigen hundert Metern der Mikroskala zugeordnet. Mit Mikroklima ist damit das spezielle Klima eines Areals gemeint, das sich in den bodennahen Luftschichten ausbildet und stark von den vorhandenen Oberflächen (Untergrund, Bewuchs, Bebauung), z.B. deren Rauigkeit und thermischen Eigenschaften, beeinflusst ist. Verschiedenheiten in der Geländeform oder im Pflanzenbewuchs können dabei auf engem Raum große Unterschiede in der Temperatur oder der Windgeschwindigkeit verursachen. So kann es z.B. an einem Sommertag über einer Asphaltdecke mehrere Grad wärmer sein als über einer benachbarten, feuchten Wiese. Auch in klaren Nächten können sich, z.B. durch unterschiedliche Ausstrahlungsbedingungen, auf kleinem Raum signifikante Temperaturunterschiede ergeben.
Bedeutsam ist das Mikroklima vor allem für die jeweilige Flora und Fauna eines Areals, aber auch der Mensch ist dem Mikroklima direkt ausgesetzt. Am ausgeprägtesten zeigt es sich bei sogenannter autochthoner Witterung, also bei schwachwindigen Hochdrucklagen. Spezielle Mikroklimate sind beispielsweise das Bestandsklima und das Standortklima.“
Was macht Kalkschotter mit dem Mikroklima?
Ein hoher Kalkgehalt im Boden kann verschiedene Aspekte des Mikroklimas beeinflussen.
Hier sind einige der wichtigsten Auswirkungen:
1. Temperaturregulation:
Kalksteine sind in der Lage, Wärme effektiv zu speichern und langsam wieder abzugeben. Dies kann dazu führen, dass Gebiete mit hohem Kalksteinanteil im Boden tagsüber Wärme aufnehmen und nachts abgeben, wodurch Temperaturschwankungen abgemildert werden. Dies kann besonders für den Weinbau von Vorteil sein, da es hilft, die Reben vor extremen Temperaturen zu schützen. Für unsere Schildkröten bedeutet dies, dass sie auf Böden aus Kalkschotter wärmer untergebracht sind als auf feuchten Wiesen. Dies entspricht ihrer natürlichen Lebensweise im Habitat, wo die Bodentemperatur meist über der gemessenen Temperatur von Wetterstationen liegt. Bei der Auswertung von Klima- und Wetterdaten ist stets zu beachten, dass das von den Schildkröten am Boden wahrgenommene Klima sich oft von den in 2 m Höhe im Schatten gemessenen Wetterdaten unterscheidet.

2. Wassermanagement:
Kalkhaltige Böden haben eine sehr gute Drainage, da sie Wasser leicht durchlassen. Dies bedeutet, dass sich Wasser nach Regenfällen nicht staut, was ein günstiges Mikroklima für Pflanzen schaffen kann, die keine stauende Nässe vertragen. Der Boden kann Wasser jedoch auch relativ schnell verlieren, was in trockeneren Zeiten zu Herausforderungen führen kann. Bei in ariden Regionen lebenden Landschildkröten führt dies oft zur Ästivation (=Trockenruhe), um die Trockenheit zu überleben und nicht zu verdursten.

3. Boden-pH und Nährstoffverfügbarkeit:
Kalkhaltige Böden neigen dazu, einen höheren pH-Wert zu haben, was bedeutet, dass sie alkalischer sind. Das kann die Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe im Boden beeinflussen und damit das Mikroklima für Pflanzen verändern. Pflanzen, die alkalische Bedingungen bevorzugen, gedeihen in solchen Mikroklimata besser.
4. Biodiversität:
Ein hoher Kalkgehalt kann die Pflanzen- und Tierarten beeinflussen, die in einem Gebiet vorkommen. Kalk- und wärmeliebende Pflanzen und die damit verbundenen Insekten und Tiere können in solchen Böden gedeihen, was die lokale Biodiversität und das Mikroklima beeinflussen kann.
5. Mikroorganismen:
Auch die mikrobielle Zusammensetzung des Bodens wird durch den Kalkgehalt beeinflusst. Kalk ist in gewisser Weise antiseptisch, und wird gelegentlich bei der Wasseraufbereitung verwendet, um den ph-Wert des Wassers zu erhöhen und Mikroorganismen zu hemmen. Eine ähnliche Wirkung wäre eventuell auch auf kalkhaltigen Böden möglich.
Andererseits könnten Mikroorganismen, wie kalkliebende Bakterien, in einem solchen Umfeld besonders aktiv sein, was wiederum die Bodenfruchtbarkeit und die Gesundheit der Pflanzen beeinflusst.
Schlussfolgerung
Insgesamt trägt der hohe Kalkgehalt im Boden dazu bei, spezifische klimatische Bedingungen zu etablieren, die bestimmte Pflanzen- und Tiergemeinschaften (=Ökosysteme) begünstigt.
Welchen Kalkschotter sollte man verwenden?
Für adulte Tiere empfiehlt sich die Verwendung von Kalkschotter 0-32 mm im Gehege. Für Jungtiere kann man die Größe auf 0-16 mm begrenzen. Ist kein Kalkschotter mit 0-Anteil („Pulveranteil“) erhältlich, so sollte man eine feinere Körnung bis 16 mm bevorzugen und mit Dolomitkalk-Pulver anreichern. Durch das Bearbeiten mit einer Gartenwalze kann man den Boden griffiger und für die Schildkröten besser begehbar machen. Manche Halter bringen auch dünn Mutterboden auf dem Schotter auf. In diesem Fall sollten dennoch Sonnenplätze mit reinem Kalkschotter erhalten bleiben, da sonst der gewünschte Effekt des schnellen Abtrocknens nach dem Regen nicht gegeben ist, und auch die Wärmespeicherung verwindert wird.
Warum unbedingt Kalkschotter?
Andere Steine, zum Beispiel Flusskiesel, sind nicht gut geeignet für Schildkrötengehege, da die Steine im Falle des Fressens zu Verstopfungen und Darmverschluss führen können. Zudem sind Kieselsteine nicht trittfest und rutschen aufgrund ihrer glatten Oberfläche beim Darüberlaufen weg. Das ist für unsere Schildkröten jedoch suboptimal, sie sollten griffige Böden zur Verfügung haben, auf denen sie sich problemlos fortbewegen können. Natürlich spricht nichts dagegen, einige große Steine zur Thermoregulation ins Gehege einzubringen, an denen die Tiere sich aufrichten und sonnen können. Muschelsplitt sollte aufgrund der Verletzungsgefahr an scharfen Teilen ebenfalls nicht im Gehege verwendet werden.
Wo bekomme ich Kalkschotter?
Kalkstein- oder auch kurz Kalkschotter, gelegentlich auch Kalkstein-Splitt genannt, bekommt man in Kalksteinbrüchen zur Selbstabholung oder Lieferung, und im Baustoffhandel oder großen Baumärkten. Aktive Steinbrüche sind leicht mittels Googlesuche zu finden. Die Lieferung erfolgt als Schüttware für große Gehege, und in Bigbags oder Säcken für kleinere Projekte oder Auffrischungen. Auch im Onlinehandel sind Bigbags mit Kalkschotter erhältlich. Im Handel wird Kalkschotter häufig unter dem Namen „Yellow Sun“ geführt. Es gibt jedoch nicht nur gelben, sondern auch grauen, beigen und weißen Kalkschotter, je nach Herkunft.

Wieviel Kalkschotter sollte ich einbringen?
Bei der Gehege-Neuanlage sollte man die Grasnarbe abtragen und vollflächig 30 cm Kalkschotter aufbringen. Im Baugewerbe werden beispielsweise Frostschutzschichten mindestens 25 cm dick aufgetragen. Rund um Versteckpflanzen sollte Mutterboden ohne Perlite eingebracht werden, und zwar ca. 30 – 40 cm rundum. Dies sorgt für ein gutes Wachstum und die Möglichkeit, dass sich die Schildkröten darunter vergraben können. Futterpflanzen gedeihen auch direkt auf dem Schotter.
Aufgrund des feuchten Klimas in unseren Breiten und der damit einhergehenden Zersetzung des Schotters, sollte jedes Jahr etwas aufgefüllt werden. Sonnenplätze und Laufwege müssen regelmäßig vom Bewuchs freigelegt werden. Ein Gehege muss also regelmäßig gewartet werden.
Wieviel Kalkschotter benötigt man für das Gehege?
Für das geplante Gehege rechnet man, um die benötigte Kubikmeterzahl zu erreichen, wie folgt:
Tiefe (0,3) x Breite in m (?) x Länge in m (?)= Volumen in Kubikmeter
Schotter wiegt ungefähr 1750 kg pro Kubikmeter.

Ersetzt das mediterrane Gehege ein Frühbeet?
Natürlich benötigt man in unseren kalten, feuchten Breiten auch ein mit Technik ausgestattetes, hochwertiges Frühbeet. Das Gehege mit Kalkschotter ersetzt dieses keinesfalls, sondern schafft im Gehege einen erweiterten, zusätzlichen mediterranen Lebensraum, der sozusagen das Beste aus dem bei uns herrschenden feuchten und kalten Wetter „herausholt“.
Mehr Infos zur Simulation eines mediterranen Mikroklimas in Frühbeet und Gehege findet man im Taschendinos Handbuch Technik


Ein Frühbeet ist der Schlüssel zur artgerechten Haltung Europäischer Landschildkröten. In diesem Handbuch erfährt man im Detail, wie man darin mit moderner Technik ein mediterranes Mikroklima für die Schildkröten schafft. Zahlreiche Fotos, Anleitungen für die sichere Überwinterung in Kühlschrank und Grube, umfangreiche Literatur-Angaben und Links vereinfachen die weitere Vertiefung ins Thema.
Das Handbuch ist erhältlich für 10 Euro, wobei der Erlös der schildkroetensuche.org zugute kommt. In D kommen noch 1,80 Euro Versandkosten dazu, in EU 3,30 Euro.
Bei Interesse
Mehr über die schildkroetensuche.org, die Suchplattform für gefundene und entlaufene Schildkröten, erfährt man hier.